Das Triathlonjahr 2024 hat begonnen. Das Training für euer Saison-Highlight läuft bereits - egal, ob für Challenge Roth, Ironman Hamburg, Frankfurt, ein Rennen in eurer Nähe oder am anderen Ende der Welt. Mit unserer neuen Serie "Vorbereitung Mittel- und Langdistanz" begleiten wir euch auf dem Weg zu eurem sportlichen Höhepunkt 2024: in den kommenden Wochen und Monaten liefern wir euch daher viele viele Infos und Tipps zu Training, Ausrüstung und Wettkampfvorbereitung.
Für den Einstieg ins Thema beleuchten wir zunächst das Anforderungsprofil für die langen Wettkampfformate und was das für euer Training bedeutet.
Herausforderung Mittel-/Langdistanz
18. Februar 1978: auf der hawaiianischen Insel O'ahu stürzen sich 15 Sportler in die Wellen des Pazifik, um 3,86km Schwimmen, 180km Radfahren, 42,2km Laufen zu absolvieren. 11 Stunden und 47 Minuten benötigt Gordon Haller als schnellster Athlet für die insgesamt 226 Kilometer (140.6 Meilen) und wird der erste IRONMAN der Geschichte.
Foto: Martina Stehr / triathlon.de
Diese mythisch aufgeladenen Anfänge des Triathlons symbolisieren den Kern dieser Sportart, der vor allem den Reiz der Langdistanz ausmacht: jeder für sich allein, vor allem im Kampf gegen sich selbst, das "Finishen" als höchstes Ziel. Aus den dezenten Anfängen ist in den letzten 40 Jahren ein "global Player" geworden. Die Marke IRONMAN hat unter ihrem Namen ein weltweites Netz an Veranstaltungen aufgespannt.
Hierzulande lässt aber der Name "Roth" die Triathlonherzen höher schlagen. Der einstige Ironman Germany gilt als Herzstück der "CHALLENGE-Serie", die sich zum stärksten Konkurrenten zum Ironman Imperium auf der Langdistanz etabliert hat. Zusätzlich bieten eine Reihe weiterer Einzelveranstaltungen in Deutschland den Sportlern das unverwechselbare Langdistanz-Feeling (z.B. OstseeMan, Schlosstriathlon Moritzburg).
Foto: Christoph Raithel / TeamChallenge
Vor dem "Abenteuer Langdistanz" steht für die meisten Sportler der Schritt über die Mitteldistanz. Die Wettkampfstrecken entsprechen mit 1,9 - 90 - 21,1 Kilometern der halben Ironmandistanz und sind damit vom Zeitaufwand (Trainingsumfänge und Wettkampfdauer) eine besser planbare Herausforderung.
Eine der bekanntesten Mitteldistanz-Serien ist die IRONMAN 70.3 Serie, bei der das “70.3” für die zurückgelegte Gesamtdistanz von 70,3 Meilen steht (=113km).
Beiden Formaten, Mittel- und Langdistanz, liegt ein Anforderungsprofil zugrunde, das sich grundlegend von den kurzen Triathlondistanzen unterscheidet.
Organisatorisch/planerisch:
- langfristig strukturierte Vorbereitung (in der Regel 6 bis 9 Monate)
- deutlich höhere Trainingsumfänge aufgrund der Streckenlänge
- möglichst gute Trainingsinfrastruktur (Schwimmtraining, Radtraining Winter auf der Rolle...)
- ggf. Trainingslageraufenthalte & Vorbereitungswettkämpfe
- Anreise/Unterkunft zum Hauptwettkampf
Wer hier erfolgreich sein will, benötigt:
- Rückendeckung von seinem sozialen Umfeld aufgrund des umfangreichen Trainings
- langfristige Zielfokussierung und Motivationsfähigkeit im Trainingsprozess
- Willensstärke im Wettkampf (wie gehe ich mit Rückschlägen oder Tiefs im Rennen selbst um?)
- hohes Maß an aerober Ausdauerfähigkeit, physischer & psychischer Ermüdungsresistenz
- Fähigkeit zur Energieaufnahme unter Belastung
- verlässliches Material
- Freisein von Verletzungen / Krankheiten
- das notwendige Glück in der Vorbereitung und im Wettkampf
Nach diesen allgemeinen Voraussetzungen werfen wir nun einen Blick auf die ganz spezifischen Kriterien ein, die unmittelbaren Einfluss auf Deine Vorbereitung haben sollten:
Schwimmen
Foto: Christine Waitz / triathlon.de
Im Vergleich zu den kurzen Triathlondistanzen (olympisch, Sprint) sind die Einzeldisziplinen Radfahren und Laufen gegenüber dem Schwimmen noch stärker gewichtet. Heruntergerechnet werden beim olympischen Triathlon (1,5-40-10) auf einen Schwimmkilometer knapp 27 Kilometer auf dem Rad und 6,7 Kilometer beim Laufen absolviert. Für Mittel- und Langdistanzathleten hingegen verschiebt sich diese Relation: 47 Radkilometer und 11,1 Laufkilometer stehen hier für jeden Schwimmkilometer zu Buche. Das bedeutet, dass starke Radfahrer oder Läufer auf den längeren Distanzen einen größeren Vorteil gegenüber starken Schwimmern haben. Jedoch wäre es falsch, das Schwimmtraining aufgrund dieses Rechenbeispiels zu vernachlässigen: Beim Schwimmen geht es darum, die erste Disziplin möglichst effizient (optimales Verhältnis aus Geschwindigkeit zu Kraftaufwand) hinter sich zu bringen und die Energie dann auf das Rad mitzunehmen. Je schlechter oder je langsamer Du schwimmst, umso mehr Energie verlierst Du bereits im Wasser, die dann in den Folgedisziplinen fehlt. Außerdem verleitet schwache Schwimmleistung oftmals dazu, diese auf dem Rad sofort kompensieren zu wollen, was sich zumeist in der zweiten Rennhälfte ganz böse rächt.
Wichtige Überlegungen für das Schwimmen sind daher:
- Wie gewichte ich das Schwimmen im Rahmen meiner Gesamtleistung?
- Wieviel Trainingsaufwand muss ich investieren, um meine Schwimmleistung zu stabilisieren, zu verbessern bzw. im Wettkampf meine angestrebte Zielzeit zu erreichen?
- Ab wann ist Freiwassertraining möglich?
- Bin ich auf den Neoprenanzug als "Schwimmhilfe" angewiesen / Ist Neoprenverbot ein mögliches Szenario?
- Wie ist die Startprozedur (Massenstart / Rolling Start)
- Findet das Schwimmen im See oder im Meer statt?
- Wie gut sind meine Orientierungsfähigkeiten im Freiwasser?
Die Antworten auf diese Fragen sollten dann in den verschiedenen Trainingsperioden unmittelbaren Einfluss auf Deine Trainingsgestaltung haben. In unserer Serie werden wir uns dem Schwimmen und der disziplinspezifischen Vorbereitung noch einmal gesondert widmen.
Radfahren
Foto: Stephan Schepe / triathlon.de
Der Radsplit macht den größten Teil der Gesamtwettkampfdauer aus. Entsprechend umfangreich ist auch die Zeit auf dem Trainings-/Wettkampfgerät in der Vorbereitung. Bereits im Winter sollte das Radtraining in den Plan integriert werden (MTB/Rolle/Zwift), um Grundlagenkilometer zu sammeln. Ab dem Frühjahr heißt es dann, die Umfänge auf dem Rad konstant zu erhöhen. Ein Trainingslager bietet sich im Zeitraum Februar - April an. Aufgrund der Dauer ist die aerobe Leistungskapazität und das “Trainingsalter” der Schlüssel für eine gute Radleistung. Die Form auf dem Rad baut sich über tausende von Trainingskilometern über Jahre konstant auf. Weiterhin spielt das “Pacing” (Renneinteilung) und Verpflegung eine entscheidende Rolle auf dem Rad. Die Arbeitsmuskulatur muss während der gesamten Belastungsdauer ständig mit Energie versorgt werden, ansonsten droht “der Mann mit dem Hammer”. Deshalb ist es wichtig, im Training auch die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu “trainieren”, so dass der Körper lernt, unter Belastung Energieträger aufzunehmen und zu verwerten. Dabei treten dann auch ganz praktische Fragestellungen auf: wieviel muss ich mitnehmen und wo verstaue ich die ganzen Riegel/Gels? So kann man bereits im Training viel ausprobieren und dann die geeignete Ernährungsstrategie für den Wettkampf festlegen. Weiterhin ganz praktische Fragestellungen beim Rad:
- Wie gut komme ich mit der Fahrradeinstellung / dem Sattel auf langen Strecken zurecht?
- Ist der Kurs flach oder wellig/bergig? Wieviel Aeroposition ist möglich?
- Kann ich das Training für das Streckenprofil gut abbilden?
- Kann ich die Aeroposition langfristig gut halten?
- Wie viele Verpflegungsstationen gibt es und was wird dort gereicht?
- Kann ich ggf. eine Panne (typischwerweise platter Reifen) unterwegs selbst reparieren (Mitnahme von Ersatzschlauch, Werkzeug
Neben den reinen Watt-Werten sind also auch ganz andere Faktoren für die Gesamtleistung beim Radfahren verantwortlich. In unserer Serie werden wir uns ebenso dem Radfahren und der disziplinspezifischen Vorbereitung noch einmal gesondert widmen.
Laufen
Foto: Stephan Schepe / triathlon.de
Beim Laufen wird der Wettkampf entschieden. Hier zeigt sich, wie gut Du Dir das Rennen eingeteilt hast, wie viel Durchhaltevermögen, Willensstärke und Motivation für den abschließenden (Halb-)Marathon noch vorhanden ist. Dass das Laufen nach einer mehrstündigen Vorbelastung eine ganz andere Herausforderung darstellt, steht dabei im Zentrum der Überlegungen. Wie gut bist Du in der Lage, Dein läuferisches Potenzial jetzt noch umzusetzten? Bewegungsmotorik, Laufökonomie und natürlich weiterhin die Versorgung des Körpers mit Wasser, Elektrolyten und Nährstoffen sind hierbei leistungsbegrenzende Faktoren. Das bedeutet für die Vorbereitung, dass für das Lauftraining neben den reinen Umfängen auch ergänzende Trainingsinhalte die Laufleistung positiv beeinflussen (z.B. Technik-/Motoriktraining, Rumpfstabilisierung). Eine essentielle Trainingsmethode in der Wettkampfvorbereitung stellt natürlich das Koppeltraining dar (Radfahren-Laufen), wodurch die komplexe Belastungsstruktur des Wettkampfs im Training gut abgebildet werden kann. Auch hier stellen sich für den Wettkampf ganz praktische Herausforderungen:
In unserer Serie werden wir natürlich auch das Laufen und das Koppeltraining noch einmal gesondert aufgreifen und die Vorbereitung detaillierter beschreiben.
Fazit
Die Vorbereitung für eine Mittel- oder Langdistanz erfordert langfristige Strukturierung des Trainingsprozesses, erhöhte Umfänge, Selbstmotivation und viel Planungsarbeit. Ist der Wettkampftag dann gekommen, entscheidet manchmal nur das Glück, ob Du einen guten Tag erwischst oder alles schiefgeht. Allerdings kann man den "Glücksfaktor" durch eine gezielte Vorbereitung auf ein Minimum reduzieren.
Wir wollen euch in den kommenden Wochen bei den Etappen eurer Vorbereitung begleiten. Das Training hat begonnen! Bleibt gesund und verletzungsfrei!